Das Medienimage der Polizei im SPIEGEL

Posted on 8th Februar 2013 in Inhaltswörter, Kollokationen, Politik, Semantik

Liebe Freunde der Sicherheit,

Anfang der Woche war ich bei einer Polizei-Tagung der Evanglischen Akademie Hofgeismar zum Thema „Demokratie auf der Straße -‚Gutbürger trifft Gutpolizisten'“ eingeladen, um über das Medienimage der Polizei zu sprechen. Eine interessante Veranstaltung, bei der sich Aktivisten, Polizisten und Wissenschaftlerinnen in ungezwungener Atmosphäre begegnen und austauschen konnten. Bei meinem Vortrag zeigte sich, dass das Image der Polizei in den Medien nicht übereinstimmt mit dem Vertrauen, das ein großer Teil der Deutschen in die Insitution der Polizei hat. Denn in den Medien ist die Polizei der Prügelknabe — und dies in doppelter Hinsicht. Das habe ich versucht, am Beispiel des Spiegel (Print und SPON) zu illustrieren.

Allgemeine Frequenzentwicklung

Auch wenn jüngere Zeitgenossen glauben, die Polizei habe in den letzten Jahren wegen Stuttgart 21 und NSU-Desaster im Fokus der Berichterstattung gestanden, relativiert ein Blick auf die Verteilung der Lemmata „Polizei“, „Polizist“, „Polizeibeamter“ und „Ordnungshäter“ im Printarchiv des SPIEGEL diese Einschätzung.

Verteilung von Bezeichnungen für Polizisten im Print-Archiv des SPIEGEL

Verteilung von Bezeichnungen für Polizisten im Print-Archiv des SPIEGEL
Frequenz je 100.000 Wörter; auch bei allen folgenden Grafiken

Im langfristigen Trend geht die Berichterstattung über die Polizei zurück, auf Polizisten wird in etwa gleich häufig Bezug genommen. Auch wenn man sich die Berichterstattung über die Polizei auf Spiegel Online, Politik Inland, anschaut, zeigt sich, dass die Berichterstattung über die Polizei an einzelne Ereignisse gebunden ist und langfristig nicht zugenommen hat.

Entwicklung der Frequenz der Bezeichnungen von Polizei auf SPON (Politik, Inland)

Entwicklung der Frequenz der Bezeichnungen von Polizei auf SPON (Politik, Inland)

Interessant ist hier, dass die Berichterstattung über die Polizei nach der Eskalation in Stuttgart (im Graphen gelb markiert) von der Berichterstattung über die Castor-Transporte deutlich in den Schatten gestellt wird.

Wie wichtig die Protestbewegungen um 1968 für die Polizeiberichterstattung waren zeigt die folgende Grafik, die visualisiert, wie viele unterschiedliche Wörter mit dem Lexem „polizist“ pro Jahr im Spiegel gebildet wurden und wie häufig diese Komposita relativ zur Anzahl der Wörter benutzt wurden.

Komposita mit dem lexikalischen Morphem "polizist": Entwicklung von Token (linke Achse) und Types (rechte Achse)

Komposita mit dem lexikalischen Morphem „polizist“:
Entwicklung von Token (linke Achse) und Types (rechte Achse)

Es zeigt sich, dass die Ereignisse um 1968 die Ursache dafür waren, dass der polizeispezifische Wortschatz in den Medien sich ausdifferenziert hat.

Polizeiliche Mittel

Was wird zum Thema, wenn der SPIEGEL über die Polizei schreibt? Da sind zuallererst einmal polizeiliche Instrumente zur Manifestation des staatlichen Gewaltmonopols zu nennen, beispielsweise der Wasserwerfer:

Auch die Berichterstattung über Wasserwerfer hat Konjunktur

Konjunkturen der Berichterstattung über Wasserwerfer

Die Verlaufskurve reflektiert einige Höhepunkte der Protestgeschichte der BRD: die 68er-Bewegung, die Anti-AKW-Bewegung, die Friedensbewegung und die Proteste gegen die Startbahn West in Frankfurt. Parallel zum Wasserwerfer entdeckte die Presse auch den Polizeiknüppel und den Schlagstock. Erich Duensings geflügeltes Wort vom „Leberwurst-Prinzip — in der Mitte hineinstechen und nach beiden Seiten ausdrücken“ als polizeiliche Taktik für die Auflösung der Demonstration anlässlich des Schah-Besuchs am 2. Juni 1967 und das Kommando „Knüppel frei“ sind ins kollektive Gedächtnis eingegangen.

Ein beliebter Gegenstand der Berichterstattung um 1968: der Schlagstock

Ein beliebter Gegenstand der Berichterstattung um 1968: der Schlagstock

Die absoluten Maxima um 1968 sind auch ein Indikator dafür, dass Schlagstock- und Wasserwerfereinsatz damals in dieser Dimension noch neu waren und die Polizei angesichts der Konfrontation mit Gewalt und Gegengewalt erst mit ihrer Aufrüstung begann. Eine Aufrüstung, die Ende der 1990er auch zur Aufnahme von Pfefferspray in das Repertoire der Einsatzmittel führte.

Der Einsatz von Pfefferspray wird zum Thema

Der Einsatz von Pfefferspray wird seit Ende der 1990er zum Thema im SPIEGEL


Polizeiliche Mittel

Insgesamt muss man aber festhalten, dass in den letzten Jahre deutlich seltener über Polizeieinsätze mit Schlagstock oder Wasserwerfereinsatz berichtet wurde. Auch Komposita, die Polizei in negativer Weise mit dem Einsatz von Gewalt in Verbindung bringen, nehmen im SPIEGEL tendenziell ab:

Frequenz des Lemmas "Polizeigewalt" im Printarchiv des SPIEGEL

Frequenz des Lemmas „Polizeigewalt“ im Printarchiv des SPIEGEL


Frequenz des Lemmas "Polizeiterror" im Printarchiv des SPIEGEL

Frequenz des Lemmas „Polizeiterror“ im Printarchiv des SPIEGEL

Daraus zu schließen, dass die Polizei nun in positivem Licht dargestellt wird, ist aber falsch. Wenn Spiegel Online über die Polizei berichtet, dann signifikant häufig im Kontakt des Einsatzes von Gewalt, wobei die Polizei sowohl Ziel als auch Quelle der Gewaltausübung ist. Und diese Verbindung bleibt in fast allen Jahrgängen von SPON und Spiegel print seit den 1960er Jahren stabil.

Kollokationen zum Lemma "Polizist" in Spiegel Online (Politik Inland) im Jahr 2011

Kollokationen zum Lemma „Polizist“ in Spiegel Online (Politik Inland) im Jahr 2011

Trotz ihres guten Images in der Bevölkerung wird die Polizei in Medien wie dem SPIEGEL also stereotyp mit dem Einsatz von Gewalt assoziiert. Umgekehrt gilt dies auch für Demonstranten, über die vorwiegend nur dann berichtet wird, wenn physische Gewalt im Spiel ist. Dass die Repräsentationslogik der Medien eine Legitimationsmöglichkeit für die Eskalation von Gewalt auf Demonstrationen bietet, liegt auf der Hand. Für die Polizei gilt: keine Presse ist gute Presse.


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