Von Black Panther zu Pink Panther? — Zur Ikonographie des Terrors

Posted on 17th November 2011 in Extremismus, Terrorismus

Liebe Freunde der Sicherheit,

Die Presse rätselt, warum sich die Terroristen, die sich als Nationalsozialistischer Untergrund bezeichnen, ausgerechnet Paulchen Panther zu ihrem Maskottchen wählten. Bernd Wagner von Exit Deutschland gibt sich im Stern-Interview ratlos, der Zürcher Tagesanzeiger rätselt und klärt darüber auf, dass der rosarote Panther nicht im kriminellen Milieu wurzelt.
Und in der BILD-Zeitung darf Professor Dr. Hajo Funke, Politikwissenschaftler vom Otto-Suhr-Institut in Berlin, erklären: „Das muss kein Zeichen für die Öffentlichkeit sein: In der Nazi-Szene gibt es auch eine innere Propaganda. Möglicherweise hatten Paulchen-Witze in dieser Gruppe einen Kultstatus für Insider.“

Eine Blick in die Geschichte der Terror-Ikonographie legt jedoch eine andere Interpretation nahe: Der Panther wurde beispielsweise von der Black Panther Party, einer sich als revolutionär verstehenden militanten Gruppe innerhalb der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, benutzt.



Logo der Black Panther Party

Logo der Black Panther Party



Er zierte auch den ersten programmatischen Text der RAF „Die Rote Armee aufbauen“ in der Zeitschrift agit 883.



Titelei des Textes "Die Rote Armee aufbauen" aus agit883, Nr. 62 vom 05.06.1970

Titelei des Textes "Die Rote Armee aufbauen" aus agit883, Nr. 62 vom 05.06.1970



Und sogar Feminstinnen bedienten sich des Panthers zur Artikulation ihrer Bereitschaft zur Militanz.



"Die Militanten Pantertanten:" zweite Hälfte 1969



Der Panther steht also für revolutionäre Gewalt. Dass sich die Terroristen der NSU nicht wie die RAF mit der Black Panther-Bewegung identifizierten ist evident. Der schwarze Panther, in dessen Farbe und geschmeidiger Kraft sich die afroamerikanische Bürgerrechtsbewegung wiedererkennen sollte, passt nicht zu ihren rassistischen Anliegen.



Aus agit883 Nr. 64 vom 25.6.1970



Was liegt für eine Neonazigruppe, deren Ideologie auf rassischem Denken beruht, näher, als statt eines schwarzen Panthers einen rosaroten Panther zum Logo zu wählen, um einen ikonographischen Kontrapunkt zu setzen? Und hätte der Chef der NPD in Zwickau, der Paulchen Panther als Alias bei Facebook benutzte, wirklich auch Fix und Foxi wählen können, wie er SPIEGEL Online sagte?



Screenshot aus dem Bekennervideo des NSU



„Extremismus“ zwischen Deskription und Performanz

Posted on 7th November 2011 in Extremismus, Politik, Überwachung und Sicherheit

Liebe Freunde der Sicherheit,

ich habe mich in der letzten Zeit um die Sicherheit der japanischen Renten verdient gemacht, daher war hier Funkstille. Das soll sich nun aber wieder ändern. Heute ein kleiner Überblick über die Debatte um den Extremismusbegriff. Seine Anwendung bietet in Deutschland die Grundlage dafür, ob das Bundesamt für Verfassungsschutz Personen oder Gruppen beobachten darf. Während in anderen Ländern vor allem der Verdacht des Terrorismus staatliche Zuwendung beschert, betrachtet man Terrorismus in Deutschland in den meisten Fällen als Sonderfall des Extremismus.

„Extremismus“ als Terminus aus der Verwaltungssprache

„Extrem“ ist ein relationaler Begriff: Seine Bedeutung ergibt sich nur aus der Beziehung zu anderen Positionen. Das „Extreme“ bezeichnet die äußerste Abweichung oder den äußersten Gegensatz zu diesem Anderen. Der Begriff des politischen Extremismus ist ein Begriff, der nicht nur in der Forschung verwendet wird. Er findet Verwendung auch in der Arbeit jener Behörden, die – dem Gründungskonsens der Bundesrepublik folgend – den Schutz der Verfassung durch Sammlung von Informationen über jene zu ihrem Auftrag haben, die aggressiv und planvoll an der Abschaffung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung arbeiten. Der Begriff des Extremismus ist damit ein Begriff aus der Verwaltungspraxis, ein Begriff mit handlungsorientierender Funktion. Er erhält seine Bedeutung aus der Rechtsprechungstradition des Bundesverfassungs- und des Bundesverwaltungsgerichts und der Verfassungs- und Verwaltungsgerichte der Länder. Aber auch die Praxis von Staatsanwaltschaften und Gerichten, der Innenministerien von Bund und Ländern sowie die Aktivitäten der ihnen unterstellten Polizei und vor allem der Verfassungsschutzämter (Neugebauer 2001: 14) tragen dazu bei, dem Begriff seine jeweils aktuelle Bedeutung zu geben. Wann der Verfassungsschutz tätig werden darf, ist in § 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes geregelt, wo es heißt:

(1) Im Sinne dieses Gesetzes sind
a) Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet ist, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihm gehörendes Gebiet abzutrennen;
b) Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet ist, den Bund, Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen;
c) Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet ist, einen der in Absatz 2 genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen.
(§4 Abs. 1 BverfSchG.)

Als Teil der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zählt Absatz 2 die folgenden Verfassungsgrundsätze auf:

a) das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen,
b) die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht,
c) das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition,
d) die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung,
e) die Unabhängigkeit der Gerichte,
f) der Ausschluß jeder Gewalt- und Willkürherrschaft und
g) die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte.
(§4 Abs. 2 BverfSchG.)

Extremistisch im Sinne des Verfassungsschutzgesetzes sind damit jene Bestrebungen, die auf die Beseitigung oder Einschränkung der Prinzipien von parlamentarischer Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Pluralismus, Gewaltenteilung und Menschenrechten gerichtet sind. Organisationen, deren Ziele als extremistisch eingestuft werden, werden von den Verfassungsschutzbehörden beobachtet mit dem Ziel, gegebenenfalls gerichtsverwertbare Materialien zu sammeln, die Exekutivmaßnahmen rechtfertigen.

Extremismusbegriff der Politikwissenschaft

Auch in der Politikwissenschaft wird der Extremismusbegriff von einer Schule von Politikwissenschaftlern in Abgrenzung zum Begriff des demokratischen Verfassungsstaates verwendet. So definieren Uwe Backes und Eckhard Jesse (1996: 45):

Der Begriff des politischen Extremismus soll als Sammelbezeichnung für unterschiedliche politische Gesinnungen und Bestrebungen fungieren, die sich in der Ablehnung des demokratischen Verfassungsstaates und seiner fundamentalen Werte und Spielregeln einig wissen, sei es, daß das Prinzip menschlicher Fundamentalgleichheit negiert (Rechtsextremismus), sei es, daß der Gleichheitsgrundsatz auf alle Lebensbereiche ausgedehnt wird und die Idee der individuellen Freiheit überlagert (Kommunismus), sei es, daß jede Form von Staatlichkeit als „repressiv“ gilt (Anarchismus).

Auch wenn die Definition als Gemeinsamkeit der unterschiedlichen Extremismen lediglich die Ablehnung des demokratischen Verfassungsstaates nennt, tragen Backes und Jesse doch folgende weitere „strukturelle Gemeinsamkeiten extremistischer Doktrinen“ (Backes/Jesse 1996: 58) zusammen:

(1) Intoleranz gegenüber „abweichenden“ Auffassungen sowie mangelnde Kompromissfähigkeit und -bereitschaft
(2) Pluralismus der Meinungen wird mit dem Hinweis auf die eine „wahre“ Lehre abgelehnt
(3) die absolute Gewissheit, im Recht zu sein, und die Überzeugung von der absoluten Gültigkeit der eigenen Visionen
(4) Missionsbewusstsein
(5) Geheimbündelei
(6) Verschwörungstheorien: Massenmedien sind Instrumente der Meinungsmanipulation, die Parteien sind Spielbälle der Interessenverbände
(7) Fanatismus: Bereitschaft zur gewaltsamen Propagierung und Durchsetzung der erstrebten Ziele

Der von staatlichen Behörden und Teilen der Politikwissenschaft formulierte Extremismusbegriff ist ein normativer. Er ist an den Werten des demokratischen Verfassungsstaates orientiert. Die deontische Dimension des Begriffs beinhaltet, dass der Extremismus etwas ist, das beobachtet und gegen das gegebenenfalls vorgegangen werden sollte. Der Extremismusbegriff ist damit auch ein Ausgrenzungsbegriff, denn er setzt eine Grenze zwischen legaler und illegaler politischer Betätigung.

Kritik am Extremismusbegriff

An diesem Extremismusbegriff wird Kritik geübt, sowohl von politikwissenschaftlicher Seite als auch von politisch Betroffenen. Als Beispiel für letztere sei hier ein Text mit dem Titel „Rechts ist nicht links – Hintergrund und politische Funktion des Extremismusansatzes“ (Jelpke 2009) der Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke von der Partei Die Linke angeführt. Jelpke, der politische Kontakte zu in Deutschland als terroristische Vereinigung verbotenen Gruppierungen vorgehalten werden, wirft den Vertretern des Extremismusansatzes vor, „die inhaltlichen Unterschiede zwischen der radikalen Linken und einer extremen Rechten nivellieren und somit die Linke durch die begriffliche Gleichsetzung mit der extremen Rechten diskreditieren [zu wollen]“. Der Extremismusbegriff solle die politische Mitte unabhängig von den in ihr vertretenen Inhalten legitimieren und alle Abweichungen von dieser Mitte ausgrenzen. Dadurch definiere der Extremismusbegriff einen legalen politischen Raum (die Mitte) und stelle alle abweichenden politischen Vorstellungen unter den Verdacht der Verfassungsfeindlichkeit. Diese Definition der legitimen Mitte erfolge jedoch nicht inhaltlich, etwa entlang der Grundwerte der Verfassung, sondern rein formal, das heißt gemäß dem Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung, zu der nach herrschender Auffassung auch das kapitalistische Wirtschaftssystem der Bundesrepublik gehöre. Jelpke sieht also im Extremismusbegriff eine antipluralistische Strategie und ein Herrschaftsinstrument der politischen Mitte. Zur Kritik am Extremismusbegriff aus politischer Perspektive kann man auch bei Jennerjahn (2010) und Kausch (2010) nachlesen.

Aus politikwissenschaftlicher Sicht konstatiert Gero Neugebauer (2001, 2010), dass sich keine nennenswerte empirische Forschungslinie, die die Gemeinsamkeiten von Links- und Rechtsextremismus untersucht, gebildet habe. Vielmehr beobachtet er, dass der Extremismusbegriff für Forschung zu rechtsextremen, jedoch praktisch überhaupt nicht für Forschung zu linksextremen Gruppierungen und Denkweisen verwendet werde. Diese Einseitigkeit verdanke sich seiner normativen Fundierung. Zwar räumt auch Neugebauer die Existenz von Gemeinsamkeiten ein, jedoch seien diese lediglich auf der Phänomen- oder Symptom-Ebene zu finden. Inhaltlich seien die Unterschiede zwischen Links- und Rechtsextremismus aber zu groß, als dass eine theoretische Reduzierung auf einen Begriff angemessen sei. Ohne wie Backes und Jesse eine präzise Bestimmung des Demokratiebegriffs vorzunehmen, konstatiert er, dass der Linksextremismus zwar antikapitalistisch, nicht aber antidemokratisch sei, der Rechtsextremismus hingegen stets antidemokratisch. Diese Kritik verweist auf ein tiefer liegendes Problem mit dem Extremismusbegriff: Er referiert auf das Links-Rechts-Schema, das – folgt man Neugebauers Ausführungen weiter – alltagsweltlich zwar eine sinnvolle Vereinfachung komplexer Sachverhalte sein könne, aber für wissenschaftliche Zwecke wegen seiner Unbestimmtheit keinen großen heuristischen Nutzen habe. Daher plädiert Neugebauer dafür, die Eindimensionalität des Extremismusbegriffs durch einen mehrdimensionalen Werteraum zu ersetzen.

Extremismus der Mitte

Schließlich gibt es in der Forschung zum historischen Faschismus noch die These von der Existenz eines Extremismus der Mitte. Lipset (1981) etwa führt den Siegeszug des Faschismus in den 1930er Jahren darauf zurück, dass die politische Mitte mit extremistischem Gedankengut infiziert war. Dass es weiterhin einen Extremismus der Mitte gibt, ist heute ein beliebtes Argument derer, die sich an den vermeintlichen politischen Rändern tummeln, um den Vorwurf des Extremismus von sich zu weisen.

Die deontische Dimension des Extremismusbegriffs

Extremismus ist ein Begriff, der fast ausschließlich zur Bezeichnung kritikwürdiger Sachverhalte, Menschen und Gruppen verwendet wird. Daher ist die Verleihung des Labels „extremistisch“ auch kein rein deskriptiver Akt, sondern hat eine performative Dimension. Interessant ist, was mit Gruppen oder Menschen geschieht, denen extremistisches Denken vorgeworfen wird: Oft radikalisieren sie sich nämlich. Der Extremismusbegriff zieht eine Linie zwischen ihnen und dem Rest der Gesellschaft. Sie fühlen sich als Opfer von Ausgrenzung und beginnen mit anderen (vermeintlichen) Opfern dieser Ausgrenzung zu sympathisieren und finden nicht selten in ihnen ihre neuen Verbündeten. Der Staat, der diese Ausgrenzung autorisiert, erscheint noch kritikwürdiger als zuvor. Wer des Extremismus verdächtigt wird, der neigt häufiger dazu, sein wahres Denken zu verschleiern oder gar sich klandestin zu verhalten. So hat der Extremismusbegriff das Potenzial, sich seinen Gegenstand selbst zu schaffen. Aber natürlich wäre es idiotisch, jede Radikalisierung der bloßen Existenz eines Extremismusbegriffs in die Schuhe zu schieben.


Zum Weiterlesen:

  • Backes, Uwe (1998): Politischer Extremismus in demokratischen Verfassungsstaaten. Elemente einer normativen Rahmentheorie. Opladen: Westdeutscher Verlag.
  • Backes, Uwe / Eckhard Jesse (1996): Politischer Extremismus in der Bundesrepublik Deutschland. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung.
  • Jaschke, Hans-Gerd (2006): Politischer Extremismus. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
    Jelpke, Ulla (2009): Rechts ist nicht links – Hintergrund und politische Funktion des Extremismusansatzes. Online: http://www.ulla-jelpke.de/news_detail.php?newsid=1433
  • Jennerjahn, Miro (2010): „Der fächer des Bösen“. Anmerkungen aus politischer Perspektive. In: Heinrich Böll Stiftung Sachsen (Hrsg.) (2010): Gibt es Extremismus? Extremismusansatz und Extremismusbegriff in der Auseinandersetzung mit Neonazismus und (anti)demokratischen Einstellungen. Dresden: Druckhaus Dresden. S. 23-26.
  • Kausch, Stefan (2010): Ordnung. Macht. Extremismus – eine Alternativlosigkeit? Über die Gesellschaft der „guten Mitte“ und alternative Politik- und Analyseperspektiven. In: Heinrich Böll Stiftung Sachsen (Hrsg.) (2010): Gibt es Extremismus? Extremismusansatz und Extremismusbegriff in der Auseinandersetzung mit Neonazismus und (anti)demokratischen Einstellungen. Dresden: Druckhaus Dresden. S. 31-44.
  • Lipset, Seymour Martin (1981): ‚Fascism‘ – Left, Right, and Center. In: Political Man: The Social Bases of Politics. Baltimore: Johns HopkinsUniversitas Press. 127–152.
  • Neugebauer, Gero (2001): Extremismus – Rechtsextremismus – Linksextremismus: Einige Anmerkungen zu Begriffen, Forschungskonzepten, Forschungsfragen und Forschungsergebnissen. In: Wilfried Schubarth / Richard Stöss (Hrsg.): Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland. Eine Bilanz. Opladen: Leske und Budrich. S. 13-37 (= Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Bd. 368).
  • Neugebauer, Gero (2010): Der Extremismusansatz aus wissenschaftlicher Sicht. In: Heinrich Böll Stiftung Sachsen (Hrsg.) (2010): Gibt es Extremismus? Extremismusansatz und Extremismusbegriff in der Auseinandersetzung mit Neonazismus und (anti)demokratischen Einstellungen. Dresden: Druckhaus Dresden. S. 11-18.