Sieben entscheidende Fragen zur Bundestagswahl: Die Kandidatinnen und Kandidaten der Parteien

Posted on 21st September 2013 in Off Topic, Politik

Der Bundeswahlleiter hat einen Datensatz mit den Namen aller Kandidierenden zur Bundestagswahl veröffentlicht. Dies ermöglicht uns einige tiefe Blicke in die Binnenstruktur der Parteien, die bei der Findung unserer Wahlentscheidung hilfreich sein können, denn Sie ermöglichen die Antwort auf folgende wahlentscheidende Fragen:


1. Ist die AfD eine „Professoren-Partei“?
Nein, das ist sie nicht! Bei FDP und CDU ist der Anteil der Professorinnen und Professoren unter den Kandidaten deutlich höher als bei der AfD.

Anteil der Professorinnen und Professoren an den Kandidaten zur Bundestagswahl 2013 nach Parteien

Anteil der Professorinnen und Professoren an den
Kandidaten zur Bundestagswahl 2013 nach Parteien



2. Welche Partei schickt die meisten Promovierten ins Rennen?
Auch im Hinblick auf den Anteil Promovierter kann die AfD keine intellektuelle Führerschaft für sich beanspruchen. Hier hat die CSU die Nase klar vorn. Aber wir wissen ja, dass diese Zahlen sich im Laufe einer Legislaturperiode durchaus verändern können, gerade bei der CSU.

Anteil der Promovierten an den Kandidaten zur Bundestagswahl 2013 nach Parteien

Anteil der Promovierten an den Kandidaten zur Bundestagswahl 2013
nach Parteien

Professorinnen und Proefessoren kandidieren übrigens sehr viel häufiger als ihre Mitbewerber gleichzeitig als Direktkandidaten und via Liste. 70% der kandidierenden Professoren (14) kandidieren doppelt, während es beim Rest der Mandatsbewerber gerade einmal 38% sind. Immerhin noch 57% der Promovierten sind auf doppeltem Ticket Richtung Bundestag unterwegs. Akademische Lorbeeren scheinen sich also auszuzahlen.


3. In welchem Bundesland kandidieren die meisten Promovierten?

Anteil der Promovierten an den Kandidaten zur Bundestagswahl 2013 nach Bundesländern

Anteil der Promovierten an den Kandidaten zur Bundestagswahl 2013
nach Bundesländern

Den höchsten Anteil Promovierter an den Kandidaten findet sich in Schleswig Holstein (13.7%) und Mecklenburg-Vorpommern (12.6%). Im Saarland ist der Anteil an Promovierten am geringsten (0.0%).


4. Wie alt ist der durchschnittliche Kandidat der einzelnen Parteien?
Im Hinblick auf das Alter der Kandidatinnen und Kandidaten ist die Piratenpartei mit Abstand die jüngste. Ihre Kandidaten sind mit 39,5 Jahren im Durchschnitt noch 5 Jahre jünger als die der Grünen.

Durchschnittsalter der Kandidaten zur Bundestagswahl 2013 nach Parteien

Durchschnittsalter der Kandidaten zur Bundestagswahl 2013
nach Parteien

Die im Durchschnitt ältesten Kandidaten haben AfD (50,2) und Linkspartei (49,4).


5. Welche Partei hat den höchsten Anteil junger / alter Kandidaten?
Schaut man sich den Anteil junger Kandidatinnen und Kandidaten noch etwas genauer an, so überrascht der hohe Anteil an unter 45-jährigen Kandidaten bei der CSU. AfD und Linke konkurrieren auch hier um den ersten Platz im Vergreisungsranking.

Altersstruktur der Kandidaten zur Bundestagswahl 2013 nach Parteien

Altersstruktur der Kandidaten zur Bundestagswahl 2013
nach Parteien

Ältester Kandidat ist übrigens Imanuel Regehly, der für die NPD in den Bundestag einmarschieren will. Er ist Jahrgang 1923. Allerdings wird er wohl noch mindestens 4 Jahre auf ein Mandat (und die Alterspräsidentschaft) warten müssen, denn er kandidiert auf der Landesliste Berlin auf dem aussichtslosen 10. Platz einer mehr als überflüssigen Partei.


6. Bei welcher Partei sind die Erfolgschancen für junge / alte Kandidaten besonders groß?
Entscheidend ist freilich die Frage, auf welchen Listenplätzen jüngere bzw. ältere Kandidaten platziert werden. Bei der CDU ist eine eindeutige Tendenz zu beobachten. Über 60-jährige landen deutlich eher auf vorderen Listenplätzen, während sich jüngere Kandidaten (> 45) auf den weniger aussichtsreichen Plätzen finden.

Altersstruktur der Altersstruktur der Kandidaten nach Listenplätzen bei der CDU (Bundestagswahl 2013)

Altersstruktur der Altersstruktur der Kandidaten
nach Listenplätzen bei der CDU (Bundestagswahl 2013)

Trotz des höheren Durchschnittsalters der Kandidaten der SPD haben hier jedoch jüngere Kandidaten größere Chancen auf vordere Listenplätze als bei der CDU.

Altersstruktur der Altersstruktur der Kandidaten nach Listenplätzen bei der SPD (Bundestagswahl 2013)

Altersstruktur der Altersstruktur der Kandidaten
nach Listenplätzen bei der SPD (Bundestagswahl 2013)



7. Wie lauten die häufigsten Vornamen der Kandidatinnen und Kandidaten?
Weibliche Kandidaten heißen häufig Sabine, Barbara, Gabriele oder Claudia.

Die häufigsten weiblichen Vornamen der Kandidatinnen zur Bundestagswahl 2013

Die häufigsten weiblichen Vornamen der Kandidatinnen
zur Bundestagswahl 2013

Männliche Kandidaten heißen Michael, Thomas, Andreas, Peter oder Christian.

Die häufigsten männlichen Vornamen der Kandidaten zur Bundestagswahl 2013

Die häufigsten männlichen Vornamen der Kandidaten
zur Bundestagswahl 2013

Dabei zeigen sich allerdings einige Tendenzen: Männer mit den Namen Alexander, Christian, Peter oder Stefan finden sich signifikant häufig bei der CSU, Kandidaten mit den Namen Andreas, Jürgen oder Sebastian finden sich eher bei den Piraten, Daniel, Jörg kandidieren eher für die FDP, Dirk für die SPD und Jürgen für die Grünen. Peter und Thomas sind typische Namen für Kandidaten der CDU, Thomas könnte aber auch für die Linke kandidieren, ebenso wie Wolfgang.


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Kollokationen und Koalitionen: Die semantische Nähe von Parteiprogrammen in korpuslinguistischer Perspektive

Posted on 4th August 2013 in Kollokationen, Semantik

Semantische Nähe von Texten kann man auf unterschiedliche Weisen berechnen. Eine Möglichkeit besteht darin, die Verwendungsweisen von Schlüsselbegriffen zu vergleichen. Wenn zentrale Begriffe in Texten ähnlich verwendet werden (in korpuslinguistischer Perspektive: ein ähnliches Kollokationsprofil haben), dann sind sich die Texte ähnlich.

Dieses Verfahren habe ich verwendet, um die Nähe zwischen den Wahlprogrammen der Parteien zu berechnen. Vielleicht kann diese als Indiz dafür gelten, ob sich die Parteien als Koalitionspartner eignen oder nicht. Verglichen wurden die Kollokationsprofile von 350 frequenten Wörtern aus unterschiedlichen Politikbereichen. Im Folgenden zunächst die Ergebnisse der für die CDU.

cdu_koalitionen

Die größte semantische Nähe zum Wahlprogramm der CDU hat wenig überraschend das Wahlprogramm der FDP. Besonders ähnlich werden Wörter aus den Bereichen Wirtschafts- und Finanzpolitik sowie Bildung benutzt. Überraschend ist die Nähe des CDU-Wahlprogramms zu dem der Piratenpartei. Diese verdankt sich dem ähnlichen Gebrauch von Schlagwörtern aus dem Bereich der Arbeitsmarktpolitik und dem Bereich Integration / Vielfalt / Beteiligung. Interessant ist zudem, dass aus Sicht des CDU-Wahlprogramms die Nähe zu BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN größer ist als die Nähe zur SPD: Schwarz-grün wäre also in semantischer Perspektive besser als eine große Koalition. Bei der SPD ergibt sich ein anderes Bild:

spd_koalitionen

Neben der großen semantischen Nähe zu den GRÜNEN ist hier bemerkenswert, dass die CDU im Näheranking der zweitbeste Partner für eine Koalition wäre. Eine Neuauflage der sozialliberalen Koalition läge in korpuslinguistischer Perspektive sogar näher als eine Zusammenarbeit mit der Partei DIE LINKE — vielleicht wird hier die Handschrift Peer Steinbrücks sichtbar. Große Differenzen zwischen LINKE und SPD finden sich besonders bei Schlagwörtern aus den Bereichen der Arbeitsmarktpolitik, Arbeitnehmerrechte und Bildungspolitik. Von besonderem Interesse ist natürlich auch die semantische Nähe der GRÜNEN zu den anderen Parteien, könnten diese doch je nach Wahlausgang zum Zünglein an der Waage werden.

gruene_koalitionen

Das Wahlprogramm der GRÜNEN zeigt eine klare Affinität zum Wahlprogramm der SPD. Die korpuslinguistische Untersuchung würde den GRÜNEN eher zu einer Linkskoalition raten, denn die semantische Nähe zur Partei DIE LINKE ist deutlich größer als die zur CDU.

Aber der Sprachgebrauch kann sich schnell ändern. Er passt sich den politischen Gegebenheiten an. Und Wahlprogramme sind keine Regierungsprogramme.


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