Das ökonomische 9/11: Fnord in der ZEIT im Verhältnis zum DAX

Posted on 16th Februar 2012 in Off Topic

Liebe Freunde der Sicherheit,

vor einiger Zeit habe ich eine kleine Statistik vorgelegt, die zeigte, dass in SPIEGEL Online der Angstindex im Ressort Politik seit dem 11. September 2001 auf einem höheren Niveau verharrt, als vorher. Der Angstindex ist eine simple Größe: er repräsentiert die relative Frequenz von mehr als 800 potenziell Angst verbreitenden Wörtern und n-Grammen. Ein Angstindex von 0.002 bedeutet, dass jedes 500. Wort das Potenzial hat, auf Sachverhalte zu verweisen, die angstbesetzt sind. Interessant war, dass mit der Finanzkrise der Angstindex im Ressort Wirtschaft erstmals über den im Ressort Politik kletterte.

Natürlich habe ich mich – so wie einige Kommentatoren – gefragt, ob die beobachteten Entwicklungen schon früher bei besonderen Ereignissen in ähnlicher Form auftraten oder ob sie als historisch einmalig und damit als Zeitphänomen gedeutet werden müssten. Da verlässliche Daten für SPON nur für die letzten 12 Jahre zu haben sind, habe ich mir das ZEIT-Archiv vorgenommen und den Fnord-Index seit den 1960er Jahren untersucht. Die folgende Grafik zeigt einen Vergleich des Angstindexes in den Ressorts Politik und Wirtschaft:



Angstindex im ZEIT-Archiv: Vergleich der Ressorts Politik und Wirtschaft



Auf den ersten Blick sieht man, dass auch in der gedruckten ZEIT der Angstindex im Ressort Wirtschaft seit Ausbruch der Finanzkrise über den im Ressort Politik geklettert ist. Anders als bei SPON geht der Angstindex im Politik-Ressort der ZEIT nach dem Maximum nach 9/11 wieder deutlich zurück und steigt erst wieder mit dem Beginn der Finanzkrise.

Betrachtet man die Entwicklung des Angstindex im Ressort Wirtschaft genauer, dann zeigen sich die monströsen Ausmaße, die die ZEIT der Finanzkrise zuschreibt.



Angstindex im ZEIT-Archiv, Ressort Wirtschaft



Niemals vorher kletterte der Angstindex auf ein so hohes Niveau und verharrte dort so lange: Die Ölkrisen, das Ende des Systems von Bretton Woods, das Platzen der Dotcom-Blase und sogar die Verunsicherungen nach dem 11. September 2001 erscheinen marginal angesichts der sich inzwischen über mehrere Jahre hinziehenden Finanz- und Wirtschaftskrise.

Legt man den (zurückberechneten) DAX über die Kurve des Angstindex, dann zeigt sich seit den späten 1990er Jahren ein Zusammenhang zwischen den beiden Kurven.



Angstindex im ZEIT-Archiv, Ressort Wirtschaft, und zurückberechneter DAX



Interessanterweise sieht es so aus, dass die Aktienkurse schon bei einem gleichbleibenden Angstindex steigen. Nur in Zeiten, in denen der Angstindex steigt, fallen die Aktienkurse. So ist der DAX trotz hohem Angstindex nach wie vor auf relativ hohem Niveau.

DISCLAIMER: Der monatliche Angstindex ist ein sehr grobes Messinstrument und ich behaupte nicht, dass er prognostische Qualitäten hat.


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5 Responses to "Das ökonomische 9/11: Fnord in der ZEIT im Verhältnis zum DAX"

  1. cassiopeia sagt:

    Sehr spannend! Haben Sie mal die Korrelation zwischen DAX und Angstindex berechnet? Wäre ja durchaus gewinnbringend (in einem durchaus monetären Sinn), wenn man ein Prognoseinstrument für den DAX hätte…

    • admin sagt:

      Man kann einen schwachen negativen Zusammenhang sehen, der sogar ein bisschen größer (zugunsten der Annahme einer prognostischen Funktion) wird, wenn man die Datenreihen gegeneinander um einen Monat verschiebt. Ich werde aber trotzdem keine Börsentipps geben: Der Zusammenhang ist viel zu schwach…

  2. klaus lage sagt:

    Ich habe ja meine Zweifel, ob da wirklich was Vernünftiges gemessen wird: Zum Beispiel gibt es keine Erklärung dafür, warum der Angstindex zur Bundestagswahl 1998 so stark ansteigt und sogar höher liegt als beim Golfkrieg. Wirtschafts- oder weltpolitisch war da doch nicht viel los.

    • admin sagt:

      Ein plausibler Einwand. Es gibt aber ein paar Indikatoren, die darauf hindeuten, dass 1998 ein besonderes Jahr für die ZEIT war. Sie hat sich im Wahlkampf 1998 recht eindeutig für Schröder positioniert und den Zustand der Republik in den schwärzesten Zahlen gemalt. Ich vermute, dass sich das auch im Angstindex niederschlägt.



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